Somnographia | 2023

Somnographia

Archival pigment prints | 40×60 bis 80x110cm | 2020 – 2023

Lassen sich Träume Fotografieren?

Träume mäandern zwischen Zufall und Erinnertem. Dort markieren sie das Grenzgebiet unseres Bewusstseins.
Für die Psychoanalyse ein deutungswertes Gegenüber und für Andere nur der zusammengekehrte Tagesrest. Im Traum schauen wir gewissermaßen durch das Erlebte zurück auf Fragmente unserer Welt. Ohne das Korsett der geordneten Wahrnehmung tanzen Eindrücke, Stimmungen, Geräusche und Bilder miteinander. Hier paart sich Vertrautes mit Unbekanntem. Es ist die Erinnerung, welche sowohl für die Textur wie für die Erkennung des Traums zentral ist. Mit ihr fangen wir diesen flüchtigen Zustand wieder ein.

Wir alle haben unsere Geschichten und Vorstellungen, mit denen wir unsere Leben betrachten. Diese individuellen Perspektiven, beruhen auf Erfahrungen und helfen uns, das Erlebte so zu ordnen, dass wir es verstehen. So erschaffen wir eine Welt, in der wir überleben können. Beim Betrachten des Traums holt uns dieses Verständnis der Welt wieder ein. Das Sehen von Träumen bedeutet die Wahrnehmungssplitter so zu rekombinieren, dass wir sie uns aneignen können. Erst durch die Betrachtung wird der Traum zum Traum. Das Zusammensetzen der im Traum präsentierten Fragmente ist essenziell. Es geschieht einfach indem wir uns Erinnern.

So findet sich im Geträumten, im Gegensatz zum Realen, die Möglichkeit unsere Erinnerung zu modifizieren. Im Traum schreiben wir eine Alternative des Gelebten. Auch sind wir in der Lage das Geträumte als Solches zu erkennen, den Traum neben das Wirkliche zu setzen. In diesem Abgleich, von Zufall und Ordnung, findet sich die Katharsis, die dem Traum zugeschrieben wird.

Die Serie „Somnographia“ lotete eben diesen Prozess des Rekombinieren von Erinnerungspartikeln aus. Die Fotografien präsentieren Stimmungen, Strukturen und Perspektiven, die nach einer Auflösung suchen. Gerade die Fotografie, welche sich wie unsere Erinnerung, immer auf das Gesehene bezieht, ist eine ideales Werkzeug für eine derartige Untersuchung.

Die Geschichte der Träume und ihrer Deutung ist lang. In der Antike wurde sie oft als Botschaft aus dem Jenseits und Verheißung gesehen. In der Moderne fand die Psychoanalyse in ihnen ein Gegenüber, das den Blick in die Tiefen der Psyche ermöglicht. Dieser Wandel der Lesart macht deutlich, wie entscheidend der Blickwinkel der Betrachtung auf die Zufälligkeit des Traumes ist.

Wie bei unseren Träumen, kommt es auch beim Umgang mit Fotografie auf die Betrachtung an. Denn erst durch sie wird das Foto zum Bild.

Can dreams be photographed?

Dreams meander between randomness and actual memories. They thus mark the frontiers of our consciousness.
For psychoanalysts they present a subject worthy of interpretation, but for others merely the swept-up remains of the day. One might say that in our dreams we look back onto fragments of our world, visualised through the lens of what we have experienced. Without the corset of ordered perception, myriad impressions, moods, sounds and images join together in an animated dance. The familiar is paired with the unknown. All the while, our memory plays a central role in both the texture of our dreams and what we can recognise in them. Our recollections enable us to recapture this fleeting state.

All of us have our own stories and notions that shape how we see our lives. These personal points of view are based on experience and help us to sort all that we have gone through so that we can come to understand it. This is how we create a world in which we can survive. When we contemplate our dreams, this self-crafted understanding of the world catches up with us. To see a dream means to recombine the splinters of perception in such a way that we can call them our own. Only through contemplation does the dream become a dream. Assembling the fragments presented in the dream is absolutely essential. It happens simply by remembering.

In what we have dreamt, as opposed to real life, there is therefore the possibility of modifying our memories. In dreams we are able to write an alternative version of what we have lived through. We are also able to recognise the dream as such, to compare it to reality. It is in this comparison between randomness and order that we find the catharsis attributed to dreams.

The series “Somnographia” explores this very process of recombining particles of memory. The photographs illustrate moods, structures and perspectives that seek resolution. Photography, which, like our memory, always relates to what we see, is an ideal tool for such an investigation.

An interest in dreams and their interpretation has a long history. In ancient times, dreams were often seen as messages from the great beyond or an augury of things to come. In modern times, psychoanalysis discovered in dreams a way to peer into the depths of the psyche. This change in our reading of dreams underscores the importance of the vantage point from which we view the randomness of the dream.

Just like with our dreams, the way we engage with photography likewise depends on how we look at it. For it is only our perspective that transforms a photo into an image.

Translation by Jennifer Taylor‐Gaid

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Somnographia

Archival pigment prints | 40×60 bis 80x110cm | 2020 – 2023

Lassen sich Träume Fotografieren?

Träume mäandern zwischen Zufall und Erinnertem. Dort markieren sie das Grenzgebiet unseres Bewusstseins.
Für die Psychoanalyse ein deutungswertes Gegenüber und für Andere nur der zusammengekehrte Tagesrest. Im Traum schauen wir gewissermaßen durch das Erlebte zurück auf Fragmente unserer Welt. Ohne das Korsett der geordneten Wahrnehmung tanzen Eindrücke, Stimmungen, Geräusche und Bilder miteinander. Hier paart sich Vertrautes mit Unbekanntem. Es ist die Erinnerung, welche sowohl für die Textur wie für die Erkennung des Traums zentral ist. Mit ihr fangen wir diesen flüchtigen Zustand wieder ein.

Wir alle haben unsere Geschichten und Vorstellungen, mit denen wir unsere Leben betrachten. Diese individuellen Perspektiven, beruhen auf Erfahrungen und helfen uns, das Erlebte so zu ordnen, dass wir es verstehen. So erschaffen wir eine Welt, in der wir überleben können. Beim Betrachten des Traums holt uns dieses Verständnis der Welt wieder ein. Das Sehen von Träumen bedeutet die Wahrnehmungssplitter so zu rekombinieren, dass wir sie uns aneignen können. Erst durch die Betrachtung wird der Traum zum Traum. Das Zusammensetzen der im Traum präsentierten Fragmente ist essenziell. Es geschieht einfach indem wir uns Erinnern.

So findet sich im Geträumten, im Gegensatz zum Realen, die Möglichkeit unsere Erinnerung zu modifizieren. Im Traum schreiben wir eine Alternative des Gelebten. Auch sind wir in der Lage das Geträumte als Solches zu erkennen, den Traum neben das Wirkliche zu setzen. In diesem Abgleich, von Zufall und Ordnung, findet sich die Katharsis, die dem Traum zugeschrieben wird.

Die Serie „Somnographia“ lotete eben diesen Prozess des Rekombinieren von Erinnerungspartikeln aus. Die Fotografien präsentieren Stimmungen, Strukturen und Perspektiven, die nach einer Auflösung suchen. Gerade die Fotografie, welche sich wie unsere Erinnerung, immer auf das Gesehene bezieht, ist eine ideales Werkzeug für eine derartige Untersuchung.

Die Geschichte der Träume und ihrer Deutung ist lang. In der Antike wurde sie oft als Botschaft aus dem Jenseits und Verheißung gesehen. In der Moderne fand die Psychoanalyse in ihnen ein Gegenüber, das den Blick in die Tiefen der Psyche ermöglicht. Dieser Wandel der Lesart macht deutlich, wie entscheidend der Blickwinkel der Betrachtung auf die Zufälligkeit des Traumes ist.

Wie bei unseren Träumen, kommt es auch beim Umgang mit Fotografie auf die Betrachtung an. Denn erst durch sie wird das Foto zum Bild.

Can dreams be photographed?

Dreams meander between randomness and actual memories. They thus mark the frontiers of our consciousness.
For psychoanalysts they present a subject worthy of interpretation, but for others merely the swept-up remains of the day. One might say that in our dreams we look back onto fragments of our world, visualised through the lens of what we have experienced. Without the corset of ordered perception, myriad impressions, moods, sounds and images join together in an animated dance. The familiar is paired with the unknown. All the while, our memory plays a central role in both the texture of our dreams and what we can recognise in them. Our recollections enable us to recapture this fleeting state.

All of us have our own stories and notions that shape how we see our lives. These personal points of view are based on experience and help us to sort all that we have gone through so that we can come to understand it. This is how we create a world in which we can survive. When we contemplate our dreams, this self-crafted understanding of the world catches up with us. To see a dream means to recombine the splinters of perception in such a way that we can call them our own. Only through contemplation does the dream become a dream. Assembling the fragments presented in the dream is absolutely essential. It happens simply by remembering.

In what we have dreamt, as opposed to real life, there is therefore the possibility of modifying our memories. In dreams we are able to write an alternative version of what we have lived through. We are also able to recognise the dream as such, to compare it to reality. It is in this comparison between randomness and order that we find the catharsis attributed to dreams.

The series “Somnographia” explores this very process of recombining particles of memory. The photographs illustrate moods, structures and perspectives that seek resolution. Photography, which, like our memory, always relates to what we see, is an ideal tool for such an investigation.

An interest in dreams and their interpretation has a long history. In ancient times, dreams were often seen as messages from the great beyond or an augury of things to come. In modern times, psychoanalysis discovered in dreams a way to peer into the depths of the psyche. This change in our reading of dreams underscores the importance of the vantage point from which we view the randomness of the dream.

Just like with our dreams, the way we engage with photography likewise depends on how we look at it. For it is only our perspective that transforms a photo into an image.

Translation by Jennifer Taylor‐Gaid